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Und dennoch ist es Leben

jetzt als eBook in der Amazon Kindle Edition

Neu! Jetzt auch als Taschenbuch erhältlich!

 

In acht Erzählungen beleuchtet Birgit Böckli das Leben von Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, von vornherein chancenlos und dennoch von einer verzweifelten Hoffnung getrieben.

Erleben Sie Geschichten, die unter die Haut gehen, die das Innerste nach außen kehren, uns verstört und nachdenklich zurücklassen. Tauchen Sie ein in eine Welt aus Widersprüchen und Ängsten, folgen Sie der Autorin auf einsamen Wegen, in die sich kein Sonnenstrahl verirrt.

Atemlos spannend und dennoch voll jener leisen Zwischentöne, die in unserer kalten Welt allzu oft überhört werden, nehmen sich die Texte auch jener Themen an, die in der Öffentlichkeit gerne tabuisiert werden. Und nicht selten folgt die Erkenntnis erst mit der letzten Zeile.

Und dennoch ist es Leben
Ein Buch, das berührt und sprachlos macht.
Ein Buch, das Sie nicht so schnell vergessen werden.

Inhaltsverzeichnis

Der Frosch und die Rose
Blick in den Spiegel
Pias Wolke
C wie Chrysantheme
Steine
Erdbeergeschmack
Tanz im Regen
Auf dem Geisenhuber Hof

 

Leseprobe
 


Der Frosch und die Rose


„Eines Morgens aber hielt es der kleine Frosch nicht mehr aus. Es hatte geregnet in jener Nacht, dicke Tropfen schimmerten im Gewirr der Grashalme, und die ersten Sonnenstrahlen fielen als blasse Fäden zur Erde. Ganz unbemerkt kletterte er aus dem Gartenteich…“

„Ich bitte dich, hör doch endlich auf.“ „Halt dein Maul!“ Er sitzt auf der Bettkante, das Buch auf den Knien. Jetzt heult sie wieder. Durch das offene Fenster dringt warme Nachtluft ins Zimmer, angefüllt mit dem schweren süßlichen Geruch einer fremden Vegetation. Irgendwo schreit ein Gecko. Wenn er den Atem anhält, kann er den Gesang der Wellen hören. Ihr Gesicht erscheint in der Tür. Bleich, denkt er. Bleich und winzig. „Kommst du jetzt bitte?“
Er hält das Buch hoch, sodass sie das Bild sehen kann, auf dem der Frosch heimlich den Teich verlässt. „Das ist seine Lieblingsgeschichte“, sagt er mit rauer Stimme.
„Ich weiß.“ Sie schließt die Tür. Endlich. Teilnahmslos betrachtet er die Umrisse des kleinen Raumes, den schmalen Wandbehang, auf dem Stuhl ein paar Kissen. Fröhliche Farben. Langsam lässt er sich zu Boden gleiten, spürt das kühle Holz des Bettrahmens im Rücken, während er weiterliest:

"Wie wunderschön ist doch die Welt, dachte der kleine Frosch, als er über die morgenfrische Wiese hüpfte. Er betrachtete mit großen Augen den Misthaufen, in dem seine Eltern den letzten Winter verbracht hatten, weiter hinten erhoben sich die Tomatenpflanzen, und auf einem kleinen Beet daneben wuchsen Kohl und Karotten. Er begegnete Käfern und Regenwürmern, die vorsichtig ihre Köpfe aus der warmen Erde streckten. Und all das hatte ihm seine Mutter die ganze Zeit vorenthalten…“

Im Nebenzimmer hört er sie umhergehen. Sie trägt diese Sandalen mit den Holzabsätzen. Klack-Klack, Klack-Klack Eine Träne tropft auf die Buchseite, und er wischt sorgfältig mit dem Ärmel seines Schlafanzugs darüber. Noch immer klingen ihre Worte in seinem Schädel nach, dringen tiefer in seinen Verstand vor, eine endlose Spirale, deren Bewegungen er nicht aufhalten kann.

„Nun mach doch nicht so einen Aufstand. Weißt du, wie viele Scherben ich schon im Fuß gehabt habe? Das ist doch nicht so schlimm.“

Seine Hand tastet nach der geschnitzten Statue, die sie auf dem Markt von Ubud gekauft hat. Eine vierarmige Göttin, Lakshmi, die Beschützerin der Ehefrauen. Sie scheint ihn anzulächeln, ein Lächeln voller Mitgefühl und Hoffnung. Es entsteht ein dumpfes Geräusch, als er sie zu Boden fallen lässt.
„Was war das denn?“ Schon wieder ihr Gesicht, diese Augen, die er nicht erträgt, weil in ihnen derselbe Schmerz lodert. Er kann ihn spüren, wie ein inneres Beben. Sie hat kein Recht auf seinen Schmerz!
„Raus, verdammt!“ brüllte er sie an.
„Bitte, leg jetzt das Buch weg und komm rüber. Sie werden gleich hier sein.“
„Lass mich.“ Weshalb drängt sie ihn so? Es ist zu spät. Es gibt kein morgen, wann wird sie das endlich begreifen? Mit Wohlwollen bemerkte er, dass sie Angst vor ihm hat. Ein scharfer Blick, und sie verlässt den Raum. Das ist gut, das ist verdammt gut! Wenn er die Kraft dazu hätte, würde er jetzt lachen. Die Erinnerungen kommen wellenförmig, verfolgen ihn, treiben ihn fort an einen lichtlosen Ort. Mit geschlossenen Augen sieht er sie vor sich stehen, die Sonnenbrille im Haar, sogar die winzigen Fältchen um ihre Augen.

„Aber könnte es nicht auch eine Grippe sein? Woher willst du wissen, dass das Fieber etwas mit der Entzündung zu tun hat? Ich glaube, du übertreibst mal wieder.“

Er lauscht einen Moment in die Stille, leise blättert er die Seite um. Im Nebenraum der Rhythmus ihrer Schritte. Sollen sie ruhig kommen, er wird die Türe nicht öffnen. Vielleicht nie wieder.

„Dann endlich erblickte er das Rosenbeet, von dem ihm die Schnecke erzählt hatte. Voller Stolz reckten die Rosen ihre herrlichen Köpfe dem Blau des Himmels zu, und mit gewaltigen Hopsern machte der kleine Frosch sich auf den Weg dorthin.“

An der Eingangstür der Ferienwohnung ist ein Klopfen zu vernehmen. Er spürt, wie sich all seine Muskeln verkrampfen. Zwei Jahre hat er auf diesen Scheißurlaub gespart. Was bleibt zurück? Ein paar Fotos fürs Album, Sonnenuntergang auf Bali. Die Bilder entstehen ohne Vorwarnung in seinem Kopf, kleine Hände, die sich nach ihm strecken, ein eisverschmierter Mund, Lichtreflexe in blauen Kinderaugen. Glückliche Erinnerungen, die ihn fast um den Verstand bringen. Das erste zarte Morgenrot berührt die Zimmerwände. Erbarmungslos drängt ihm der neue Tag entgegen. Von nebenan die Stimme der Vernunft.
„Sie sind da, wir müssen aufmachen. Jetzt komm doch endlich her, warum lässt du mich nur so alleine?“
Der Duft der Magnolien ist stärker geworden, er bekommt kaum noch Luft. Ein blaues T-Shirt hat sie getragen, mit winzigen Glasperlen bestickt. Er sieht, wie sich das Sonnenlicht darin bricht, als sie den Kopf an seine Schulter legt, gestern. Noch einmal verfängt sich sein Blick in dichten schwarzgetuschten Wimpern, lässt ihn die Zuversicht in ihren Augen frösteln. Dazwischen liegen vierundzwanzig Stunden, ein ganzes Leben.

„Zum Arzt gehen, hier im Ausland? Lass uns lieber noch einen Tag warten. Ich bin sicher, mit ein bisschen Kamille kriegen wir das bald wieder hin. Ich geb ihm noch ein Fieberzäpfchen.“

Seine Finger sind steif geworden, nur mit Mühe gelingt es ihm, das Buch zu halten. Der Markt von Ubud fällt ihm ein, Menschen in langen Gewändern, all die Webarbeiten und Schnitzereien, lächelnde Frauen, die vor einem ausgebreiteten Tuch voll exotischer Gewürze sitzen. Steinerne Altare an jeder Ecke, mit Blumen geschmückt. Zu seinen Füßen liegt die Statue, die Göttin blickt ihn milde an. Im Hintergrund seine Frau, das Geräusch ihrer Schritte, sie hat noch nicht geöffnet. Ohne sein Einverständnis wird sie niemanden hereinlassen.

„Es war ein langer Weg gewesen, doch endlich hatte der kleine Frosch es geschafft. Er schloss die Augen und nahm nichts mehr wahr als den wundervollen Duft der Rose. Er bemerkte nicht den schwarzen Schatten einer Amsel, der sich über ihn senkte, für ihn gab es nichts anderes mehr auf der Welt. Der kleine Frosch war glücklich.“

Lautlos klappt er das Buch zu und erhebt sich vom Boden. Sie ist schuld, sie ganz allein, und sie weiß es. Die Figur liegt schwer in seiner Hand, Lakshmi, die Göttin mit den gütigen Augen, Beschützerin der Ehefrauen. Ein bösartiges Lächeln gleitet über sein Gesicht, ganz kurz nur. Das Klopfen an der Tür hat aufgehört. Ein letztes Mal streckt er die Hand aus, berührt die Wange seines toten Sohnes, dann geht er langsam hinüber ins Wohnzimmer.
Bali, die Insel der Götter. Es ist Zeit.

 

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Leserstimmen
 
Manchmal lesen wir Zeitungsmeldungen über furchtbare Dinge, die irgendwo auf dieser Welt geschehen sind, und dann sind wir meist ein paar Minuten lang betroffen und vergessen alles wieder. Die Welt ist nun mal böse, und schließlich sind wir den Menschen nie begegnet, die hinter jenen Geschichten stecken, kennen nicht ihre Blicke, ihre Schmerzen, ihre Tränen. Solche Geschichten, solche bösen Geschichten sind es, die Birgit Böckli uns in ihrer Kurzgeschichtensammlung 'Und dennoch ist es Leben' (erhältlich auch im Neobooks-Shop) präsentiert. Und diesmal gelingt es uns nicht, so leichtfertig darüber hinwegzugehen wie bei einer Zeitungsmeldung.
In insgesamt acht kurzen Erzählungen beschreibt sie, nicht selten aus der Sicht von Kindern oder Jugendlichen, die Welt hinter den Fassaden unserer Nachbarhäuser, von Plattenbausiedlungen, von entlegenen Bauernhöfen und mancher Kinderzimmer, in denen der Schmerz lebt wie ein nicht zu vertreibender Schatten. Ganz klar, dass da so manches Tabuthema gehoben wird, und die Art und Weise, wie Birgit Böckli damit umgeht, finde ich mutig, aufrichtig und sprachlich äußerst gelungen.
Es ist schwer, die Geschichten zu referieren, ohne dem Leser die Überraschung vorwegzunehmen, die am Ende jeder Geschichte auf ihn wartet. Auf jeden Fall, es passiert immer etwas Tragisches, und keine dieser Stories hat ein Happy-End. Birgit Böcklis Landschaften sind so trostlos, wie das Leben es manchmal ist, aber dann ist da auch immer wieder jene zarte, unaufdringliche Poesie, die den Leser nicht nur intellektuell, sondern an jener Stelle in uns berührt, wo Schönheit und Traurigkeit einander begegnen. So finde ich zum Beispiel, dass 'Tanz im Regen', die Geschichte einer ungewöhnlichen Geschwisterbeziehung, eines der sprachlich schönsten Endings hat, die ich seit langem in einer Short Story gelesen habe. Besonders gut gefallen hat mir auch 'Steine', die fast magisch anmutende Geschichte eines Jungen mit einem traurigen Geheimnis, sowie der mit viel Lokalkolorit dargebotene Kurz-Thriller 'Auf dem Geisenhuber Hof'.
Ich wünsche Birgit Böcklis Geschichtensammlung über das, was 'dennoch' Leben ist (auch wenn es vom Tod meist nicht zu trennen ist), von ganzem Herzen eine Print-Ausgabe. Es wäre eins jener Bücher, die ich einem Freund in die Hand drücken und sagen würde: 'Hey, ich hab da ein ganz besonderes Buch entdeckt. Lies das mal.'(Fleetwood)

 

Leben ist nicht die glattpolierte Geradeausspur, sondern hat Facetten, die berühren und schmerzen. Menschen sind verletzlich, Menschen sterben, Menschen bringen andere Menschen in Gefahr, um ihr eigenes Leben oder das ihrer Kinder zu retten, sie kommen vom Weg ab, leiden und zerbrechen manchmal. Sind Kinder betroffen, dann zeigt sich die Härte des Lebens noch deutlicher. Vermutlich einer der Gründe, warum die Geschichten von Birgit Böckli so unter die Haut gehen. Wer sie einmal gelesen hat, wird sie nicht wieder vergessen. Birgit Böckli zeigt das Leben, wie es fremder und zugleich realistischer nicht sein könnte. (Ring)

 

Die Gewinnerin des ersten neobooks-Roman-Wettbewerbs zeigt in ihren Kurzgeschichten eine andere Seite - einen anderen Ton - als in ihrem Kriminalroman-Debüt "Friesensturm".
Ihre Geschichten sind unglaublich feinfühlig geschrieben, obwohl oder gerade weil sie von Randpersonen, von sogenannten Tabuthemen und von starken Gefühlen handeln.
Die erste Geschichte hat mich besonders beeindruckt, da Böckli hier sehr souverän eine Geschichte in der Geschichte präsentiert und beide geschickt miteinander verknüpft. Ihr großes Talent beweist sie aber auch in den anderen Kurzgeschichten. Ich konnte nicht aufhören zu lesen. Böcklis Sprache sitzt punktgenau und trifft - mitten ins Herz. Es ist die Kunst, das Wesentliche verborgen zu lassen, die mich beeindruckt hat. Dabei ist die Sprache knapp und klar, nicht zu ausgeschmückt und jeder Geschichte angepasst. Die Enden sind nicht immer fröhlich, was zu den Inhalten passt, aber immer überraschend und gelungen. Gespannt warte ich nun auf Böcklis Roman-Debüt und wünsche ihr weiterhin viel Erfolg! (Sylvia D.)

 

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