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Den Tod im Herzen - Ein Kurzroman mit Horrorelementen

Jetzt als eBook in der Amazon Kindle Edition für nur 99 Cent

Nach mehreren schweren Schicksalsschlägen versucht der 44-jährige Dirk Färber, sein Leben neu zu ordnen.
Der erste Schritt ist schnell getan. Nach jahrelanger Arbeitslosigkeit findet er eine gut bezahlte Anstellung als Wachmann auf einem Privatgelände. Doch schon bald muss er erkennen, dass auf dem luxuriösen Anwesen nicht alles mit rechten Dingen zugeht.
Weshalb darf er niemandem von dieser Beschäftigung erzählen? Und was hat es mit dieser seltsamen Maschine im Keller auf sich, deren lautes Summen ihm solche Angst einjagt? Als ein neuer Kollege spurlos verschwindet, beschließt Färber, der Sache endlich auf den Grund zu gehen und gerät mitten in einen Alptraum hinein...

 

Eine Hörprobe zu diesem Buch finden Sie als Podcast auf 1000mikes, gesprochen von Rena Larf

 

Leseprobe

1

Färber schwirrte der Kopf. Mit jedem Meter, den er zurücklegte, verstärkte sich das unangenehme Gefühl in seinem Magen. Über dreihundert Bewerbungen hatte er in den letzten beiden Jahren geschrieben, niemand hatte ihn haben wollen. Und jetzt dieser Anruf. Es wollte ihm noch immer nicht in den Kopf, wie sie ausgerechnet auf ihn gekommen waren.

Er griff in die Jackentasche und förderte einen Rest Halbschwarzen zutage, dann das Zigarettenpapier. Tabakkrümel setzten sich unter seine Fingernägel. Jessy hätte ihm abgeraten, da war er sich ganz sicher. An diesem Job musste irgendetwas faul sein. Aber Jessy ging nicht einmal mehr ans Telefon. Zu gern hätte er mit ihr gesprochen, nur noch ein einziges Mal, um ihr zu sagen, wie Leid ihm alles tat. Dass sie keine Angst vor ihm zu haben brauchte. Und dennoch, ein Teil von ihm, derjenige, der nur in mondlosen Nächten zum Leben erwachte, wollte, dass sie litt. Obwohl er sie liebte, vielleicht weil er sie liebte. Es spielte keine Rolle mehr. Sie würden einander nie wieder in die Augen sehen können. Das Kind würde immer zwischen ihnen stehen.

Als er den Bahnhofsvorplatz überquerte, hatte es zu regnen begonnen. Ein paar Leute spannten ihre Schirme auf, andere begannen zu laufen, bevor sich der schmutziggraue Himmel vollends über ihren Köpfen entladen konnte. Färber trat an die Straßenbahnhaltestelle und setzte sich auf die Wartebank, begann hastig, sich eine Zigarette zu drehen.

„Sie wurden uns empfohlen“, hatte der Mann mit dem polnischen Akzent am Telefon gesagt. Sawatzki, erinnerte er sich dunkel, der Mann hieß Sawatzki. Nervös blickte Färber auf seine Armbanduhr, verfolgte, wie der Sekundenzeiger eine seiner endlosen Runden drehte. Und wenn es eine Falle war? Aber wer sollte ihn hereinlegen wollen? Er hatte weder Freunde noch Feinde. Wenn er in die Augen seiner Nachbarn sah, dann schwammen sie für gewöhnlich in einem stummen Mitleid, das ihn beinahe wahnsinnig machte.

Die sieben war genauso überfüllt wie der Bus, mit dem er angereist war. Eigentlich mochte er die Stadt, und er war schließlich nicht zum ersten Mal hier, aber an diesem Nachmittag machte ihm das Gedränge Angst. Die vielen Gesichter, gleichgültig oder aggressiv. Geschlagene zwanzig Minuten stand Färber zwischen den Leuten und klammerte sich an einer der Stangen fest, während von draußen das trübe Oktoberlicht durch die Scheiben hereinkroch und überall seine melancholische Stimmung verbreitete.

Sie wurden uns empfohlen.

Am Neckartor stieg er aus und versuchte sich zu orientieren. Die zweite Seitenstraße, hatte Sawatzki gesagt. Oder war es die dritte? Die Häuser hier waren hoch und schmal, düstere Backsteinriesen, die sicherlich auch im Sommer jeglichen Sonnenschein zwischen ihren Fassaden zerrieben. An einer Ecke erkannte er die defekte Leuchtreklame eines ehemaligen Pornokinos. Hinter der Schaufensterscheibe klebte ein letztes zerrissenes Plakat, auf dem Färber den Oberkörper einer nackten Schönheit ausmachte. Ein Motorrad mit Seitenwagen quälte sich mit heulendem Motor an einer Reihe parkender Autos vorbei. Endlich bemerkte Färber die Hotelreklame, beinahe hätte er sie übersehen. Er war falsch abgebogen und musste einen ganzen Block zurückgehen, aber das spielte im Grunde keine Rolle. Weil er ohnehin zu früh dran war. Weil er im Grunde gar nicht hier sein sollte.

Der Regen hatte nicht aufgehört, aber er war deutlich schwächer geworden. Als er den Eingang schließlich erreichte, war der Klotz in seinem Magen auf Fußballgröße angeschwollen, aber seine Füße marschierten ohne Pause weiter, als hätten sie die Kontrolle übernommen, und Färber ließ es geschehen. Niemand konnte einen Grund haben, ihm etwas anzutun. Woher zum Teufel kam diese Scheißangst, die ihm schon den ganzen Tag über die Luft abschnürte? 

„Geh schon“, flüsterte die Stimme in seinem Kopf, die sich immer zu solchen Gelegenheiten zu Wort meldete, und die der Stimme seiner verstorbenen Mutter verdammt ähnlich war. „Wer nicht hören will, muss fühlen.“

Hinter der Empfangstheke drückte sich ein kräftiger Mann in rotweinfarbener Uniform herum. Als Färber auf ihn zukam, schaute er vom Bildschirm auf und lächelte mechanisch. „Kann ich Ihnen helfen?“

„Ich bin hier…“ In Färbers Kehle stauten sich die Worte zu einem kratzigen Klumpen. „Ich bin hier mit einem Herrn Sawatzki verabredet. Wissen Sie vielleicht, ob er schon da ist?“

„Zimmer siebzehn. Gleich hier im Erdgeschoss.“ Der Mann streckte den Arm aus und deutete auf den rechten der beiden Flure, die von der Eingangshalle abzweigten. Färber bedankte sich. Der Teppich unter seinen Füßen zwitscherte beim Gehen wie ein junger Vogel. Dann hatte er die Tür mit der Nummer siebzehn erreicht. Noch einmal sagte er sich, dass er gar nicht hätte zu kommen brauchen. Er konnte genau in dieser Sekunde umdrehen und durch die Vordertür wieder hinaus spazieren. Was immer hinter dieser Tür für ein Angebot auf ihn wartete, er war nicht der richtige Mann für diesen Job. Das war sicher.

Färber klopfte an.

 

2

Der Mann, der ihm öffnete, war nicht besonders groß, aber kräftig. Er trug eine anthrazitfarbene Hose mit Bügelfalten und ein helles T-Shirt, unter dem sich seine Muskelpakete reliefartig abzeichneten.

„Setzen wir uns einen Moment“, sagte er und ließ sich in einen der beiden Korbstühle fallen.

Färber folgte ihm zögernd. Das Zimmer erinnerte ihn an seinen letzten Urlaub. Helle Möbel, das riesige Bett. Solche Dinge waren seit zwei Jahren Vergangenheit, das Amt finanzierte sein Überleben, und er bemühte sich um eine neue Stelle, so waren die Aufgaben verteilt, mehr konnte er nicht erwarten. Auch wenn seine Bemühungen sinnlos waren. Niemand hatte Interesse an einem vorbestraften Buchhalter. Das hatte er zumindest bis heute morgen gedacht.

Sawatzki hatte am Telefon wie ein Osteuropäer geklungen, äußerlich erinnerte er eher an einen Südländer. Die dunkelbraunen Augen nahmen Färber gefangen und ließen ihn nicht mehr gehen. Langsam wurde er ungeduldig. „Also was soll das Versteckspiel?“

Mit einer bedächtigen Geste brachte Sawatzki ihn zum Schweigen. „Ich habe gehört, Sie suchen einen Job.“ In die dunklen Augen trat ein fragender Blick.

Färber presste die Lippen zusammen. „Das kommt ganz darauf an.“

„Worauf?“

„Ich mache keine krummen Sachen.“

Der Pole lächelte. „Wie kommen Sie darauf, dass es hier um eine krumme Sache geht?“

Färber zierte sich, er wollte nicht unhöflich sein. Immer zuerst den anderen ausreden lassen, das war eine Regel, die er sich hinter die Ohren geschrieben hatte. So ließ sich manche peinliche Situation vermeiden. „Weshalb wollten Sie mir am Telefon nicht sagen, worum es sich handelt? Das ist ziemlich ungewöhnlich, das müssen Sie zugeben.“

„Mein Auftraggeber ist ein reicher Mann.“ Sawatzki lehnte sich verträumt zurück und strich die Falten der Tischdecke glatt. „Er legt großen Wert auf Diskretion, das ist alles. Offenbar hat er in der Vergangenheit schon einige schlechte Erfahrungen mit unzuverlässigen Mitarbeitern gemacht. Deswegen geht er nur noch nach persönlichen Empfehlungen vor.“

Färber betrachtete sein gegenüber skeptisch, aber er fand keinen Hinweis darauf, dass der Pole ihn belog. „Er braucht einen Buchhalter?“, hakte er nach.

Sawatzki schüttelte langsam den Kopf. „Sie sind in erster Linie dafür zuständig, die Zufahrtswege zum Anwesen zu kontrollieren. Hin und wieder kommen ein paar handwerkliche Sachen hinzu. Man wird Sie selbstverständlich gründlich einweisen.“

„Aber ich bin kein…“

„Das wissen wir.“ Jetzt lachte er zum ersten Mal richtig und entblößte eine Reihe sehr großer und sehr weißer Zähne. Wir wissen alles über Sie, sagte dieses Lachen.

„Und warum suchen Sie sich dann nicht jemanden vom Fach?“ So langsam hatte Färber genug. Er wollte arbeiten, er suchte händeringend nach einer Beschäftigung, aber er mochte keine Spielchen, schon gar nicht auf seine Kosten.

„Aber warum denn so misstrauisch?“ Sawatzki, dieser verhinderte Preisboxer presste die Knie zusammen und begann, seine Hände zu reiben. Draußen vor dem Fenster heulte ein Motor auf. „Sie werden sehen, dies ist Ihr Glückstag. Mein Auftraggeber ist ein Ehrenmann. Er bezahlt all seine Angestellten überdurchschnittlich gut. Wenn Sie Interesse haben, werde ich Sie ihm gerne vorstellen.“ Er klang so harmlos, dass Färber einen Hustenanfall bekam.

„Er zahlt gut? Für einen ungelernten Wachmann?“ Färber räusperte sich und starrte aus dem Fenster. Warum nur hatte er das Gefühl, dass der andere ihm etwas verheimlichte? „Was hat es denn mit dieser handwerklichen Tätigkeit auf sich? Soll ich Leichen entsorgen, oder sowas?“ Es hatte scherzhaft klingen sollen, aber der Pole warf ihm nur einen vorwurfsvollen Blick zu. Sein gönnerhaftes Lächeln war verrutscht.

Einen Moment lang spürte Färber sein Herz flattern, als der Mann  am Tisch eine Hand in der Jackentasche verschwinden ließ, dann schob Sawatzki einen zerknitterten Umschlag zu ihm hinüber. „Wir zwingen selbstverständlich niemanden, für uns zu arbeiten. Aber vielleicht sollten Sie sich die Stelle trotzdem einmal anschauen. Es ist tatsächlich alles ganz harmlos. Ich soll Ihnen ein kleines Willkommensgeschenk überreichen.“

Färber schüttelte ungläubig den Kopf, als er die Scheine sah. Fünfhundert Euro, einfach so, Jessy hätte ihn für verrückt erklärt.

„Die Sache ist die“, nahm Sawatzki ihm die Worte aus dem Mund. „Ihr zukünftiger Chef ist sehr besorgt, was seine Publicity betrifft. Als Vorstand eines großen Konzerns hat er viele Jahre in der Öffentlichkeit gestanden. Heute lebt er sehr zurückgezogen und widmet sich seiner Sammelleidenschaft. Er besitzt eine riesige Sammlung exotischer Tiere. Tiere, die größtenteils unter das Artenschutzgesetz fallen. Keine große Sache, aber wenn jemand dahinter käme, wäre der Schaden nicht wieder gutzumachen. Und er ist bereit, für das Schweigen seiner Mitarbeiter zu zahlen. Das ist im Grunde alles.“

Färber atmete auf. Keine Mafia, kein Killerkommando, er hatte einfach zu viel Fantasie. „Hat die Arbeit etwas mit den Tieren zu tun?“

„Zum Teil. Im Übrigen werden Sie dort einen alten Bekannten treffen, der uns Ihren Namen genannt hat. Herrn Ammann. Ich glaube, Sie sind gemeinsam zur Schule gegangen. Wir können gleich losfahren, wenn Sie bereit sind.“

Amman! Wie in Trance erhob sich Färber und folgte dem Polen zur Tür hinaus und durch das Hotelfoyer ins Freie. Den hatte er seit Ewigkeiten nicht gesehen.

 

3

Zumindest Sawatzkis erste Aussage schien sich bereits auf dem Weg zu bestätigen: Geld spielte offenbar eine untergeordnete Rolle. Färber kam sich wie ein Fremdkörper vor, als er im Inneren des Mercedes Platz genommen hatte. Vorsichtig strich er über die weißen Ledersitze und erwischte sich mehrmals dabei, wie er das hölzerne Armaturenbrett mit Blicken streichelte. Sie saßen in einem Traumwagen. Und nicht nur der Wagen, dieses ganze seltsame Vorstellungsgespräch schien einem Traum entsprungen.

Die Straße machte eine letzte Biegung und mündete in einen holprigen Waldpfad. Der Weg führte nun immer steiler bergan, krümmte sich in unzähligen Kurven, links und rechts versperrten dichte Tannen die Sicht. Färber ließ das Fenster ein Stück herunter und inhalierte den Geruch des Waldes. Er hätte ewig so weiterfahren können. Endlich, als er schon fast nicht mehr daran geglaubt hatte, öffnete sich das Gelände, und in leichten Nebel getaucht, erschien ein eisernes Tor. Die Grünanlage dahinter erinnerte eher an einen öffentlichen Park als an ein Privatgrundstück. Der Pole kramte eine Fernbedienung aus dem Handschuhfach, und die beiden Flügel des Tores schwangen geräuschlos auf. Färber schluckte. Offensichtlich waren sie angekommen.

„Na, was sagen Sie?“ Sawatzki hielt ihm die Tür auf und machte eine weitläufige Geste. „Ist das nicht ein schöner Ort, um sein Geld zu verdienen?“

Färber legte den Kopf in den Nacken. Das breite Gebäude, das sich inmitten der Grünflächen erhob, war mit einem Wort wie Villa kaum noch zu erfassen. Das war schon beinahe ein Schloss. Großer Gott, wo waren sie hier?

„Wir befinden uns auf dem Anwesen von Herrn Kiaroff“, beantwortete Sawatzki seine unausgesprochene Frage.

„Hartmut Kiaroff? Der mit den Landmaschinen?“ Färber erinnerte sich dunkel an die Werbung aus dem Fernsehen.

„Die Dinger haben ihn reich gemacht“, bestätigte Sawatzki. „Aber auch ziemlich einsam. Wie ich schon sagte, Herr Kiaroff ist ein sehr misstrauischer Mensch. Seit der Scheidung ist er nicht mehr derselbe. Aber er zahlt gut. Und wenn er einmal beschlossen hat, Ihnen zu vertrauen, haben Sie ein sehr angenehmes Leben hier.“

Nachdenklich überquerte Färber den kleinen Parkplatz, auf dem drei weitere Wagen parkten, alles teure Modelle, wie man sie im normalen Straßenverkehr nur selten zu sehen bekam.

„Und Ammann …“, begann er wieder.

„… arbeitet seit über einem Jahr für Herrn Kiaroff. Er wird sie übrigens einarbeiten. Kommen Sie, der Chef erwartet uns.“

 

„Da seid ihr ja.“ Eine junge Frau öffnete die Tür und winkte ihnen eilig, einzutreten. „Er ist schon ganz ungeduldig. Morgen fängt die Messe in Basel an, da ist er wieder für drei Tage außer Haus.“ Sie warf Sawatzki einen seltsamen Blick zu. Dann wandte sie sich um und eilte einen langen Flur hinab.

Färber hatte Mühe, Schritt zu halten. Eigentlich war es eher ein Mädchen, beschloss er beim Blick auf ihre kindliche Figur. Ein hübsches Mädchen, das irgendjemand in eine Art Stewardessenuniform gesteckt hatte. Gleich wird sie uns zeigen, wie wir die Schwimmwesten anlegen müssen, dachte Färber und musste kichern.

Der Flur endete abrupt in einem großen Raum mit Stuckdecke und altmodischen Tapeten. In der rechten Ecke hatte eine wuchtige Couchgarnitur ihren Platz. Aus dem ihnen abgewandten Sessel erhob sich ein Mann, den Färber bisher nicht wahrgenommen hatte. Er konnte seine Überraschung nur schwer verbergen, als Kiaroff auf ihn zutrat. Sicher, es war Jahre her, dass er dieses Gesicht zum letzten Mal in einer Fernsehwerbung oder in einer Illustrierten gesehen hatte, aber die Veränderung war dennoch erschreckend. Aus dem vitalen Mann war ein Greis geworden. Seit seinem letzten Auftritt in der Öffentlichkeit hatte er mindestens dreißig Pfund an Gewicht verloren. Er wirkte hohlwangig, und seine Gesichtshaut zeigte einen unnatürlichen Grauton, nur die Augen glänzten fiebrig und schienen niemals still zu stehen.

Färber reichte dem Mann die Hand und deutete eine Verbeugung an. Wer in einem Haus wie diesem lebte, erwartete sicher etwas in der Art.

„Sie sind Färber?“ fragte Kiaroff mit leiser Stimme.

„Dirk Färber aus Schwetzingen“, bestätigte er. Etwas anderes fiel ihm nicht ein.

Der Alte, der eigentlich nicht viel älter sein konnte als Färber selbst, schien ihn gar nicht zu hören. Wie benommen schweifte sein Blick durch den Raum und fand Halt bei Sawatzki. „Alles in Ordnung soweit?“

Sawatzki nickte. „Ich denke, wir sind uns einig.“

Färber wollte etwas erwidern, aber der Pole machte ihm ein hektisches Zeichen, den Mund zu halten.

„Ich freue mich“, krächzte Kiaroff und streckte ihm abermals die Hand entgegen. Ein unsicheres Lächeln schwebte für Sekunden um seine Lippen, bevor es sich einfach in Luft auflöste. „Wir werden einander gewiss noch besser kennenlernen, wenn ich aus Basel zurück bin. Herr Ammann wird Ihnen alles zeigen.“

„Ist das Finanzielle schon geregelt?“ wandte er sich an Sawatzki.

Der winkte nur ab, anscheinend hatte Kiaroff seine Finanzen längst nicht mehr im Griff, aber das schien in diesem Haus niemanden zu stören. Färber blieb schweigend neben Sawatzki stehen und sah zu, wie der Hausherr mit unendlich langsamen Bewegungen aus dem Zimmer schlurfte.

Das Mädchen in der Uniform hatte die ganze Zeit über schweigend an der Wand gelehnt. Jetzt trat sie näher und betrachtete Färber scheu. „Wenn Sie gestatten, bringe ich Sie jetzt zu Herrn Ammann.“

 

Das Mädchen hieß Linea, wie Färber einige Minuten später erfuhr. Sie war zweiundzwanzig, sah aber höchstens aus wie sechzehn. Färber folgte ihr quer durchs Haus und fragte sich, ob er sich in diesen verwinkelten Gängen jemals zurecht finden würde. Schließlich erreichten sie einen Raum, der als Bibliothek eingerichtet war. Die hohen Bücherregale reichten bis unter die Decke, darin reihten sich jede Menge ledergebundene Klassiker aneinander.  Dunkelrote Vorhänge verdeckten die Wand zwischen den Regalen und verliehen dem ganzen Raum eine altertümliche Atmosphäre.

„Hier geht es lang.“ Sie durchquerte den Raum und drückte mit der Hand auf eine der Holzplatten, mit denen die Wand getäfelt war. Augenblicklich geriet eines der Regale in Bewegung. Mit einem leisen Knirschen schwenkte es zur Seite und gab den Blick auf eine Stahltüre frei. Beeindruckt verfolgte Färber die Prozedur. Bisher hatte er es nie mit so reichen Leuten zu tun gehabt. Vielleicht waren solche Geheimtüren in diesen Kreisen ja normal? Er trat einen Schritt zurück, während Linea sorgfältig die Tür hinter ihnen wieder verschloss.

„Der Chef ist sehr auf Sicherheit bedacht“, sagte sie und zuckte lächelnd die Schultern. Färber nickte gequält. Gab es hier überhaupt jemanden, der nicht die ganze Zeit über lächelte?

Es gab ihn, und er machte sich lautstark bemerkbar.

Ende der Leseprobe

 

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